Um- und Neubau des Goethe-Instituts Kairo, Ägypten

Der Umbau einer alten Villa und ein Neubau für das Goethe-Institut Kairo führten zu einem Ensemble, das bemerkenswert unaufdringlich Tradition und Moderne verbindet. Auf dem Weg dorthin waren aufgrund des politischen Umbruchs im Gastland viele Hürden zu nehmen.
Das Ende der Dreiteilung
Hagen Thiele
Im Zuge der deutschen Wiedervereinigung fielen der Bundesrepublik auch viele Auslandsliegenschaften der DDR zu, insbesondere Botschaftsbauten.So „erbte“ sie auf der westlichen Nilseite, in bester Lage der ägyptischen Hauptstadt Kzwei bebaute Grundstücke in dem von frei stehenden Villen mit groBzügigen Freianlagen geprنgten Stadtteil Dokki,dessen ehemals geschlossenes Erscheinungsbild mittlerweise durch einige Hochhäuser beeinträchtigt ist.
Es handelte sich zum einen um die 1966 von der DDR erworbene Liegenschaft mit der Adresse Sharia Hussein Wassef Nr. 13. Das an einem begrünten Platz gelegene Eckgrundstück mit einer GroBe von rund 1.500 Quadratmetern ist mit einer dreigeschossigen Stadtvilla sowie einem eingeschossigen Nebengebäude bebaut. Um das Jahr 1930 als Wohnund Arbeitsstätte einer ägyptischen Kaufmannsfamilie errichtet, war sie1956 an den gerade erst unabhängig gewordenen Staat Tunesien vermietet worden, der darin seine Botschaft eroffnete. Die DDR nutzte das
Gebäude später als Botschaftskanzlei.
Zum anderen hatte die DDR im Jahr 1968 zwei Grundstücke weiter die Liegenschaft mit der Anschrift Sharia Hussein Wassef Nr. 17 erworben, eine rund 2.600 Quadratmeter groBe Fläche mit einer zweigeschossigen erdbebengeschädigten Stadtvilla und mehreren Nebengebäuden. Das ursprüngliche Vorhaben, hier einen Kanzleineubau zu errichten, wurde jedoch nie umgesetzt. Das Gebäude und die Freiflächen dienten stattdessen als Lager- und Parkplatz.
Davon unabhängig residierte das Goethe-Institut Kairo seit Anfang der 1960er-Jahre auf der ostlichen Nilseite im gründerzeitlichen Stadtzentrum in der Nähe des Tahrir Platzes in einer Villa mit Nebengebäude auf einer bundeseigenen Liegenschaft in der Sharia El-Bustan Nr.5.
Nach der Wiedervereinigung zog die Sprachabteilung 1991 nach einer Sanierung in die frühere DDR-Botschaftskanzlei. Institutsleitung, Verwaltung und Bibliothek verblieben in den alten Räumlichkeiten. Diese sehr nachteilige „Dreiteilung“ über zwei Stadtteile sollte vor allem aus organisatorischen und wirtschaftlichen Gründen mittelfristig behoben werden.
Zwei Grundstücke, eine langfristige Nutzung.
Ab 2002 wurden daher unter Berücksichtigung aller drei Liegenschaften auf Grundlage von Gutachten und Wertermittlungen durch die Arbeitsgemeinschaft KRV – Dr. Krekeler Architekten und Generalplaner mit Ruiken & Vetter Architekten – Unterbringungskonzepte erstellt und ausgewertet. Vorab waren mehrfach Versuche gescheitert, zusätzlich das zwischen den Nummern 13 und 17 gelegene Grundstück für eine zusammenhängende Nutzung der Liegenschaften zu erwerben.
Nach einer Belegungsstudie aus dem Jahr 2004 und auf Basis der Entscheidungsunterlage Bau von 2005 kristallisierte sich ein mit dem Nutzer abgestimmtes Grundkonzept heraus. Dieses sah vor, auf dem Grundstück Nr. 17 den ffentlichen Bereich des Goethe-Instituts mit Sprachunterricht, Bibliothek, Programmarbeit und Veranstaltungen und in der Nr. 13 die Institutsleitung und die Verwaltung unterzubringen. Das Gebäude in Sharia El Bustan Nr. 5 soll nach dem Umzug verkauft werden.
Da in der Nr. 13 darüber hinaus noch Platz zur Verfügung stand, wurde das obere Geschoss zur Nutzung durch den Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) gemäB dessen Raumbedarf ausgewiesen.
Die BaumaBnahme wurde entsprechend den Grundstücken in zwei Abschnitte gegliedert und vorbereitet: Der 1. Bauabschnitt umfasst das Grundstück Nr. 17, der 2. Bauabschnitt das Eckgrundstück Nr. 13. Ende 2006 wurde ein begrenzt offener Realisierungswettbewerb für ergänzende Neubauten auf der Liegenschaft Nr. 17 ausgelobt. Der Entwurf von Worschech Architekten überzeugte die Jury durch den respektvollen Umgang mit der Bestandsvilla und dem bestehenden Garten sowie durch das übergeordnete, langfristig auch die Eckvilla einbeziehende Gestaltungskonzept.
Das Neubauvolumen ist in mehrere Einzelbaukorper aufgelost. Im Eingangsbereich befinden sich das Begegnungszentrum und das Sprachsekretariat. Die zwolf gleich groBen Klassenräume für den Sprachunterricht sind in den durch Laubengänge verbundenen sogenannten Turmbauten untergebracht. Uber dem groBen Veranstaltungssaal mit angegliederten Lager- und Umkleider äumen befindet sich die zweigeschossige Bibliothek. Der Saal wurde unter anderem mit einem Regieraum, fest eingebauten Dolmetscherkabinen sowie einer Beameranlage mit hochwertigem Laut- sprechersystem ausgestattet und erfüllt damit die hohen Ansprüche der kulturellen Vermittlung. Die Stadtvilla mit ihrer groBen Dachterrasse ist – mit Ausnahme der im Erdgeschoss gelegenen Cafeteria – mehrheitlich dem Lehrpersonal vorbehalten.
Bei der Gestaltung der Innenräume wurde – unter Berücksichtigung der verbindlichen Farbvorgaben des Corporate Design für Goethe-Institute – sehr bewusst zwischen dem Neubau und der Villa differenziert. Im Neubau dominieren helle NatursteinfuBboden aus dem Sinai sowie weiBe Wände und Decken. Fenster, Türen und Sockelleisten setzen hier dunkelgraue Akzente. Entlang den Laubengängen sind dunkelgraue Verschattungselemente aus Metall angebracht, in die in unregelmäBigen Abständen das Logo des Goethe-Instituts eingefräst ist. Durch diese Ornamentik ergeben sich je nach Tageszeit und Lichteinfall reizvolle Schattenspiele. In gleicher Weise ist der bewegliche Sonnenschutz vor den Fenstern gestaltet.
In der sanierten Villa wird die Atmosphäre durch ParkettfuBboden und die in Referenz an die Farbgebung des Goethe-Hauses in Weimar in unterschiedlichen PastellfarbtOnen gehaltenen Räume bestimmt.
Ihren Entwurf mit den mehrheitlich entlang der Grundstücksgrenze gesetzten Baukorpern hatten die Architekten so konzipiert, dass der groBe Garten mit seinem teilweise alten Baubestand – ein Luxus inmitten der GroBstadt – weitgehend erhalten blieb. Als Freianlage mit viel einheimischem „Grün“ dient er sowohl als Erweiterung des Veranstaltungssaals als auch als AuBenraum der Cafeteria.
Bauen während einer politischen Umbruchphase Auf die Genehmigung der Entwurfsplanung durch das BBR im Jahr 2008
folgte ein einjähriges Baugenehmigungsverfahren durch die ortlichen Behorden. Nach Verabschiedung der Ausführungsplanung wurde ein ägyptischer Generalunternehmer mit dem Bauvorhaben beauftragt, der im Juli 2012 mit den Arbeiten begann.
Aufgrund der mittlerweile mehrfachen Machtwechsel erlebt Ägypten eine Phase politischer Instabilität. Damit einher geht eine allgemeine Verunsicherung. So leidet das Land nach dem „Arabischen Frühling” an einer tief greifenden Wirtschaftskrise, die sich auf viele Bereiche des offentlichen Lebens und damit auch auf den Bauablauf auswirkte.
Da in Ägypten kaum Baustoffe hergestellt werden, die den erforderlichen Standards entsprechen, mussten diese zum überwiegenden Teil importiert werden. Einfuhrverzogerungen wurden zum Dauerproblem auf der Baustelle. Zusätzlich waren Anlieferungen an die Baustelle aufgrund des sehr ungeregelten Verkehrsaufkommens und ortlicher Bestimmungen nur zeitlich begrenzt in den Nachtzeiten moglich und bedurften auBerdem der behordlichen Genehmigung, die des Ofteren – auch kurzfristig – versagt wurde. Im Rückblick hat sich herausgestellt, dass die Bauzeit von 18 Monaten angesichts der komplizierten Verhältnisse in Ägypten für das Bauvolumen nicht ausreichend bemessen war. Trotz aller Widrigkeiten konnte der erste Teil des Bauvorhabens im Juni 2016 dem Goethe-Institut zur Nutzung übergeben werden.
Die vorrangig ägyptischen Ausführenden und das mehrheitlich deutsche Team des Auftraggebers haben während der Bauphase und in der gemeinsamen Bewältigung der Schwierigkeiten sehr viel von- und miteinander gelernt, wobei sich die kulturellen Unterschiede nie als Hindernis darstellten. Besonders in Anbetracht der derzeitigen Bedingungen in Ägypten gilt allen an Planung und Bau Beteiligten in Kairo und Deutschland groBer Rsespekt.